Wenn die reichlich 100 Watt, die der menschliche Körper durchschnittlich an Wärmeenergie abgibt, in den Energiebedarf des Plenarsaales eingerechnet worden wären, würde meine Kollegin Henke heute noch etwas mehr frieren als sie es sonst gelegentlich tut.
Es wäre der Ausdruck eines individuell wahrgenommenen Mangels an Wärmeenergie in diesem Raume, der sich aus der Abwesenheit mehrerer vom sächsischen Volk gewählter Wärmequellen ergäbe.
Zum Glück ist das nicht so.
Aussagen wie Energiemangel oder Energieüberschuss machen nur dann Sinn, wenn man ein bestimmtes Bezugssystem einer isolierten Betrachtung unterzieht.
Die Naturwissenschaftler unter uns wissen natürlich, dass der Energieerhaltungssatz gilt.
Physikalisch betrachtet kann Energie nicht vernichtet werden, wohl aber in der unterschiedlichsten Weise umgewandelt.
Wenn man also von Energiebedarf spricht, meint man in aller Regel den Bedarf an für den Menschen in bequemer Weise nutzbarer Energie.
Energie die aus der Wand kommt, aus dem Heizkörper oder aus der Zapfsäule.
Diese bequeme Art der Nutzenergie kommt in der Natur nur in den seltensten Fällen vor.
In aller Regel wird sie durch den Bergbau und die Energiewirtschaft in langwierigen Intelligenz- und Investitionsintensiven Verfahren verbrauchergerecht aufbereitet und bereitgestellt.
Leider sind diese Verfahren trotz aller Fortschritte immer von unerwünschten Nebeneffekten begleitet.
Der augenscheinlichste ist der Landschaftsverbrauch.
Er ist charakteristisch für die Ausbeutung fossiler Rohstoffe, für die Nutzung von Wasserkraft, für die Anwendung großflächiger Photovoltaikanlagen oder aber für den exzessiven Bau von Windrädern auf dem flachen Lande.
Der nachhaltigste Nebeneffekt ist die CO2 Emission.
Er tritt bei der Verbrennung von fossilen Rohstoffen ebenso auf, wie bei der Anwendung nachwachsender Rohstoffe für die Nutzenergiegewinnung.
Weitere lästige Nebeneffekte sind die Feinstaubbelastung und die Frage der Endlagerung der verbrauchten Kernbrennelemente.
Moderne Energieerzeugung, gemeint ist natürlich im Folgenden immer die Nutzenergierzeugung, muss drei Kriterien genügen:
Dem Kriterium der Wirtschaftlichkeit, dem Kriterium der Versorgungssicherheit und dem Kriterium der Umweltverträglichkeit.
Jedes dieser drei Kriterien wirkt sich auf den Preis aus, den schließlich der Verbraucher zu zahlen hat.
Spätestens seit dem Hurrikan Katerina wissen wir, dass es einen weiteren Faktor gibt der die Energiepreise beeinflusst: Der Weltmarkt.
Zum Glück betrifft dieser Faktor alle Marktteilnehmer
in gleicher Weise.
Deutschland ist in erheblichem Maße auf die Einfuhr von Energie angewiesen.
Eine überproportional hohe Importquote von 97 Prozent besteht bei Mineralöl.
Vier fünftel des Erdgasverbrauches werden durch Lieferungen aus dem Ausland gedeckt.
Bei Steinkohle beträgt der Einfuhranteil etwa 60 Prozent.
Demgegenüber ist die Importquote bei Braunkohle zu vernachlässigen.
Wasser und Windkraft sind im vollen Maße der Inlandgewinnung zuzuordnen.
Der Kernenergie kann angesichts der in Deutschland vorgehaltenen Brennstoffvorräte mit mehrjähriger Reichweite unter dem Gesichtspunkt der Versorgungssicherheit der gleiche Stellenwert beigemessen werden wie einheimischen Energieträgern.
Daraus ergibt sich für das Jahr 2004 eine auf die Primärenergiegewinnung bezogene Energie- Importquote von 61 Prozent.
Am Primärenergieverbrauch war das Mineralöl mit 36,4 Prozent, das Erdgas mit 22,4 Prozent, die Steinkohle mit 13,5 Prozent, die Kernenergie mit 12,6 Prozent und die Braunkohle mit 11,4 Prozent beteiligt.
Erneuerbare Energien halten 3,6 Prozent.
Der Energiemix bleibt differenziert-
Öl bestimmt die Mobilität,
Gas die Wärmeversorgung,
Kernenergie, Kohle und zunehmend Gas sowie Windkraft sind die Stromenergien.
Wie ist nun der Anteil der unterschiedlichen Energieträger am Stromerzeugungs-Mix.
Die Grundlaststromerzeugung stützt sich bevorzugt auf die Kernenergie und die Braunkohle.
Der Einsatz von Erdgas zur Stromerzeugung konzentriert sich in Deutschland auf Spitzenlast Kondensationskraftwerke sowie kundennahe Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen.
Die erneuerbaren Energien liegen bei 9 Prozent.
Das Öl spielt in der deutschen Stromerzeugung praktisch keine Rolle.
Im Gegensatz zum Strom schlägt der Ölpreis aber voll auf die Kraftstoffpreise durch.
Stark gestiegene Kraftstoffpreise belasten neben der Wirtschaft vor allem die Menschen, die täglich oder wöchentlich ihrer Arbeit teils über Hunderte von Kilometern nach fahren müssen.
Das sind in Sachsen relativ viele.
Darum hat meine Fraktion bereits zu Beginn der Ölpreisexplosion Vorschläge zur Abmilderung der daraus erwachsenden Mehrbelastungen unterbreitet.
Die Vorschläge reichten von der Aussetzung der Ökosteuer über das zeitweilige Anzapfen der nationalen Kraftstoffreserve, dem stärkeren Einsatz von Biodiesel bis hin zu Innovationshilfen für die beschleunigte Entwicklung alternativer Antriebssysteme.
Alle diese Vorschläge sind bereits auf dem Markt und hoffentlich Gegenstand exekutiver Überlegungen.
Das waren unsere Vorschläge.
Wir benötigen in dieser Frage die Nachhilfe der NPD nicht und werden Ihren Antrag im TOP 6 auch ablehnen.
Alles in allem haben wir auf Grund des Mixes bei der Stromerzeugung recht geordnete Verhältnisse, die zumindest die Schwankungsbreite der Strompreise auf ein akzeptables Maß begrenzen sollten.
Und trotzdem kostet der Strom mit 20,2 cent/ kWh in Deutschland mehr als bei unseren Nachbarn.
Und trotzdem ist der Strompreis seit dem Jahr 2000 um mehr als 8 Prozent gestiegen.
Woran liegt das?
Es liegt zu aller erst am fehlenden Wettbewerb auf dem deutschen Strommarkt. Er wird von den 4 großen
E.-On, RWE, Vattenfall Europe und EnBW zu 80 Prozent beherrscht.
Es liegt an der noch nicht vollzogenen Trennung von Energieerzeugern und Netzbetreibern.
Es gibt noch keine hart durchkalkulierten Netzentgelte.
Das novellierte Energiewirtschaftsgesetz konnte auf Grund seines späten Inkrafttretens am 13. Juli diesen Jahres noch nicht seine Wirkung entfalten.
Das Energieeinspeisegesetz wirkt tendenziell preistreibend.
Gleiches gilt für die Ökosteuer.
Der Strompreis in Deutschland setzt sich aus fünf Komponenten zusammen.
Die Stromerzeugungskosten betragen 16,5 Prozent, der Vertrieb schlägt mit 5,4 Prozent zu Buche, sonstige Kosten ergeben 9,9 Prozent, die Netzentgelte aber betragen 32,5 Prozent nur noch übertroffen von den Steuern und Abgaben in Höhe von 35,7 Prozent.
Wenn wir auch in Zukunft Standort für energieintensive Industrien sein wollen müssen wir bei den Netzentgelten und bei den Steuern und Abgaben ansetzen.
Wir bitten die Staatsregierung darauf hin zu wirken, dass die Bundesnetzagentur in Abstimmung mit der Landesregulierungsbehörde eine transparente Methode zur Bestimmung von fairen Netzpreisen entwickelt,
dass die verlässliche Trennung von Stromerzeugern und Netzbetreibern vollzogen wird
und dass gegenwärtige ex ante- Genehmigungssystem für Netzentgelte durch eine Anreizregulierung ersetzt wird.
Ziel muss es sein, dass nur die durch den tatsächlichen Aufwand bestimmten Kosten an den Kunden weiter gegeben werden.
Wir bitten die Staatsregierung, dafür einzutreten dass Steuern und Abgaben auf den Strompreis degressiv gestaltet werden.
Die Börsenkurse der 4 großen Energiekonzerne in Deutschland haben sich in den letzten 12 Monaten fast verdoppelt.
So etwas funktioniert nur unter der Abwesenheit von Wettbewerb.
So lange in der Elektroenergiebranche noch keinen echten Wettbewerb gibt müssen die staatlichen Kontrollbehörden genau hinschauen.
Sie müssen dafür Sorge tragen, dass die Rationalisierungsgewinne der Stromkonzerne in einer sachgerechten Weise zwischen den Stromkunden und den Aktionären aufgeteilt werden.
Ziel unserer Politik müssen echte Marktpreise sein.
Wir verlangen die Stärkung der Marktkräfte, damit wir auch in Zukunft einen ausreichend geheizten Plenarsaal vorfinden und gleichzeitig die Staatskasse entlasten.
Darum bitte ich Sie für meine Fraktion und auch im Namen von Kollegin Henke, um freundliche Zustimmung zu unserem Antrag.
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Donnerstag, 22. September 2005
Debattenbeitrag des Abgeordneten Heinz Lehmann zum Antrag der CDU/SPD- Koalition "Strompreisentwicklung im Freistaat Sachsen"
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