Oben drüber stand:
Textilkombinat Lautex, sozialistischer Großbetrieb, 11 Tausend Beschäftigte beeindruckend.
Hinter den Kulissen sah es etwas anders aus.
Als ich als Schüler und Student dort gejobt habe arbeiteten die Frauen teilweise unter schlecht isolierten Pappdächern.
Im Sommer war das Klima manchmal kaum erträglich.
Trotz Staub und Lärm wurde im Dreischichtsystem um die Planerfüllung gerungen.
Ich habe dabei den Weberknoten beherrschen gelernt und war für jede erarbeitete Mark dankbar.
Trotzdem gab es immer weniger einheimische Frauen, die bereit waren diese Arbeit zu tun.
Externe Arbeitskräfte mussten her.
Zuerst kamen Arbeiterinnen aus Mecklenburg, dann aus Ungarn und zuletzt aus Kuba, Angola und Vietnam.
Natürlich haben sich über die Jahre auch die Arbeitsbedingungen verbessert - so richtig wettbewerbsfähig wurden die Kombinatsbetriebe aber nie.
Das wurde spätestens in dem Moment deutlich als mit dem Fall der Mauer die Löhne zu steigen begannen.
Viele der Produktionsstätten wurden sofort geschlossen, allein in meiner Heimatstadt zwei.
Die etwas moderneren, in dem speziellen Fall die in Neugersdorf und Leutersdorf sollten aber unter allen Umständen erhalten werden.
Der Staat in Gestalt der Treuhandanstalt hat viel Geld angefasst auch europäisches - um unbürokratisch zu helfen.
Das Kleingedruckte bei den europäischen Förderbedingungen stand damals nicht im Mittelpunkt der Überlegungen.
Ziel war es durch den Einsatz von Beihilfen, in dem speziellen Fall in Höhe von 199 Mio. DM, so rasch wie möglich einen seriösen Investor zu finden.
Aber:
Textilien wurden nicht nur in Ostdeutschland produziert.
Die Textilfirmen in Westdeutschland und in Europa hatten bereits damals den enormen Druck aus Fernost auszuhalten.
Sie blickten argwöhnisch bis neidisch auf die mit öffentlichen Mitteln aufgepäppelte Konkurrenz aus Sachsen.
Abgeordnete aller Coleur wurden scharf gemacht, um für die Standorte in Süddeutschland und anderswo zu kämpfen.
Jegliche tatsächliche oder vermutete Abweichung vom Beihilferegime wurde minutiös nach Brüssel gemeldet und mit Klage gedroht.
Mancher potentielle Investor hat das gemerkt und ist vorsichtig geworden.
Nach dem Abschluss der umfangreichen Investitionstätigkeit hatten wir zwei relativ moderne Werke - der monatelang hofierte potenzielle Erwerber aber war im letzten Moment abgesprungen.
Als zu allem Überfluss die Europäische Kommission dann noch mit dem Hinweis auf Regelverstöße ihre Millionen zurück verlangte, gab es für die damalige Erba Lautex GmbH nur noch den Weg in den Konkurs.
Mit der Gründung der Neuen Erba Lautex sollte aber trotzdem die Privatisierung gelingen.
Ich habe mich als Wahlkreisabgeordneter intensiv dafür eingesetzt, dass die NEL neue staatliche Millionen bekam- weitere 9 Mio. DM.
Neue Kollektionen wurden vorgestellt, Märke zurück erobert, Hoffnungen geweckt.
Die Firma wurde in Auftrag der Treuhand- Nachfolger mehrfach weltweit zum Verkauf ausgeschrieben letztlich vergebens.
Der vorerst letzte Anlauf war im vergangenen Jahr der Versuch eines MBO.
Leider scheiterte auch der, weil das Konsortium aus Banken und Beteiligungsgesellschaften letztlich nicht bereit war den Neustart in der Struktur Weberei und Veredlung zu finanzieren.
Das vorläufige Ergebnis sind zwei funktionierende aber erneut in Konkurs gegangene Werke und 200 gekündigte Mitarbeiter.
Es ist die Zeit der Schuldzuweisungen.
Der Erfolg hat viele Väter, der Misserfolg ist Vollweise.
Das ist an sich nichts Besonderes.
Was ich aber unerträglich finde, ist das Verhalten der NPD, die das vorläufige Schicksal von 200 Menschen zum Anlass nimmt, um in unverschämter und verfälschender Weise gegen das vereinte Europa zu polemisieren.
Gerade in Sachsen haben viele Firmen von den Hilfen aus Brüssel profitiert und tun das bis zum heutigen Tag.
Mit Inanspruchnahme dieser Hilfen haben die Zuwendungsempfängen die Förderkonditionen akzeptiert auch die bei Verstößen drohenden Pönale.
Die EU für das bisherige Schicksal der NEL allein verantwortlich zu machen ist unredlich, die Diffamierung der europäischen Förderpolitik als Ausländisches Diktat ist anmaßend.
Ihre ideologischen Ziehväter wollten ein vereinigtes Europa von der Bretagne bis zur Krim unter dem Hakenkreuz.
Gott sei Dank ist es ihnen nicht gelungen.
Es hat Millionen Menschen Not, Tod und Vertreibung gebracht.
Unser vereintes Europa sichert Frieden, Kooperation und Prosperität.
Daran ändert auch die unbefriedigende Situation bei der NEL nichts.
Noch ist die Hoffnung aber nicht gestorben.
Eigentümer, Konkursverwalter, Politik und die gekündigte Belegschaft sollten alles tun um die drohende Zerschlagung und Verramschung der Werke zu verhindern.
Es ist nicht im Interesse der EU die hoch geförderten Ausrüstungen für ein Trinkgeld nach Ägypten oder in die Türkei zu verkaufen
Ziel muss es sein, den zweifellos leistungsfähigen Kern als Einheit zu verkaufen.
Mindestens ein Bewerber hat sein Gebot bereits abgegeben.
Ich bitte die Staatsregierung gemeinsam mit den handelnden Personen um jeden Job in der Oberlausitz zu kämpfen.
Jeder erhaltene Arbeitsplatz ist wichtig.
Den scheinheiligen und demagogischen Antrag der NPD dagegen bitte ich abzulehnen.