Schwerpunkt der Plenarsitzung des AdR am 31.3./1.4.2011 war die Haushaltpolitik der EU. Um die Strategie der Kommission zu erläutern war der polnische Kommissar Lewandowski Gast der Beratung. Er charakterisierte die bisherigen Haushaltverhandlungen als extrem schwierig. Trotzdem auf der Einnahmeseite die Obergrenze für die Finanzierung der EU bei 1,24% des nationalen Bruttonettoeinkommens BNE liegt, weigert sich die große Mehrheit der Mitgliedsländer in zukünftig mehr als 1,0% zu zahlen. Nach meinem gegenwärtigen Erkenntnisstand tritt Deutschland für eine Absenkung der nationalen Beiträge auf unter 1% BNE ein.
Laufen die Einnahmen aber schlechter als geplant, wirkt sich das besonders auf die Höhe des Betrages aus, der für die Strukturfonds, Kohäsionsfonds, Forschung sowie Verkehrs- und Energienetze zur Verfügung steht.
Die Gemeinsame Agrarpolitik GAP hat kaum größere Einbußen zu befürchten, weil von ihr alle Mitgliedsstaaten profitieren. Kein Land hat Interesse an einer Reduzierung der verlässlichen Zahlungsrückflüsse aus dem Agrarbereich. Länder wie Polen treten für eine Erhöhung der Auszahlungen aus der GAP ein.
Käme es für die nächste Förderperiode zu Einnahmen von unter 1% BNE, könnte sich das negativ auf das Bestreben der ostdeutschen Ziel 1 Regionen auswirken, für die nächste Förderperiode eine angemessene Anschlussregelung zu erreichen.
Das Ringen darum gestaltet sich relativ zäh, weil sich die nationalen Interessenlagen stark unterscheiden. Die deutschen Abgeordneten im Europäischen Parlament und im Ausschuss der Regionen treten für eine Anschlussregelung ein, welche auf die Gebietskulisse der gegenwärtigen Ziel 1 Regionen beschränkt bleibt. In diesen“ Übergangsregionen“, deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zwischen 75% und 90% BIP des gegenwärtigen europäischen Durchschnitts liegt, soll das Fördervolumen in den Jahren 2014 bis 2020 nicht unter 2/3 der gegenwärtigen Ziel 1 Förderung abgesenkt werden. Diese Strategie stimmt mit dem Willen der Ost- MPK, der deutschen MPK und der Bundesregierung überein.
Hauptargument der Befürworter ist es: Die Nachhaltigkeit des wirtschaftlichen Aufwärtstrends in diesen Regionen darf nicht durch den abrupten Rückgang der Investitionsförderung gefährdet werden.
Die Mehrheit im AdR und wahrscheinlich auch des EP präferiert den Ansatz von Regionalpolitik Kommissar Hahn. Diese schlagen die Schaffung einer allgemeinen „Zwischenkategorie“ zwischen den Ziel 1 und Ziel 2 Regionen vor. Diese Zwischenkategorie würde alle Regionen umfassen deren durchschnittliches BIP pro Kopf zwischen 75% und 90% liegt, unabhängig von ihrem gegenwärtigen Förderstatus. Die Gebietskulisse einer solchen Zwischenkategorie wäre natürlich viel größer, als die der von der deutschen Seite angestrebten Übergangsregion. Die Konsequenz dessen wäre entweder ein abgesenktes Fördervolumen oder ein höherer Haushaltmittelverbrauch zu Lasten der zukünftigen Ziel 1 und Ziel 2 Regionen.
Befürworter dieser Zwischenkategorie sind alle die Länder, die sich davon für eine oder mehrere ihrer Regionen den Zugang zu einer höheren Förderkategorie oder überhaupt zu einer Förderung versprechen.
Die deutschen Vertreter lehnen die neue Zwischenkategorie ab, weil sie nicht konsequent die belohnt, die sich in der laufenden Förderperiode voran gekommen sind, sondern die Gießkanne auch für die Regionen bereit hält die sich nicht genug angestrengt haben.
Für die Protagonisten der Übergangsregionen kommt es nun darauf an, Befürworter in den Ländern und Regionen zu finden, deren Besitzstand durch die Einführung der Zwischenkategorie überwiegend gefährdet erscheint. Das sind vor allem Länder mit Regionen, die in der kommenden Förderperiode mit dem Ziel 1 oder Ziel 2 Status rechnen können. In ihrem Interesse müsste es liegen die Gebietskulisse für die Übergangsregionen so klein wie möglich zu gestalten. Neben den Osteuropäern betrifft das auch Frankreich und NRW.
Sollte der deutsche Vorschlag im parlamentarischen Bereich dennoch keine Mehrheit finden, muss die Bundeskanzlerin im Europarat die Einführung eines Sicherheitsnetzes für die neuen Bundesländer erreichen dessen Fördervolumen 2/3 der gegenwärtigen Zuwendung entspricht.
Der AdR sprach sich aber in seiner Debatte zum 5. Kohäsionsbericht mehrheitlich gegen die Stimmen der deutschen EVP- Vertreter für die Schaffung einer allgemeinen Zwischenkategorie aus, in die dann neben den aktuellen Ziel 1 Regionen auch eine ganze Reihe von Regionen fallen würden die gegenwärtig diesen Status nicht besitzen. Nach Mehrheitsmeinung des AdR sollten zur Identifizierung dieser Regionen neben dem pro Kopf BIP weitere Indikatoren heran gezogen werden. Auch das lehnen die deutschen EVP Vertreter ab.
Für das rd. 86 Mio. € Budget des Ausschusses der Regionen wurde eine Erhöhung von 2,91 % angemeldet.
Aus aktuellem Anlass verabschiedete der AdR eine Entschließung zur Situation in Libyen mit der die EU aufgefordert wird den Demokratisierungsprozess angemessen zu unterstützen. Insbesondere müssten Regelungen gefunden werden, die Regionen wie Sizilien, Malta und Zypern bei der Bewältigung der Migrationslasten unterstützen.
Beratungsthema war auch die Resolution „Die Folgen der Naturkatastrophe in Japan: Lehren für die Europäische Union“. Sie wurde nach kurzer aber heftiger Debatte mit Mehrheit beschlossen. Insbesondere die Vertreter Tschechiens, der Slowakei und Schwedens traten sprachen sich gegen einen politisch motivierten vorschnellen Ausstieg aus der Produktion von Atomstrom aus.
In der Debatte um die Neujustierung der Strukturförderung trat Bayern für die Aufnahme eines europäischen Programmes zur Bekämpfung des zunehmenden Wohnungsleerstandes in Randlagen ein.
Die Beratung innerhalb der deutschen EVP Delegation befasste sich mit den Veränderungen die sich aus den jüngsten Landtagswahlen ergeben. Mit dem Ausscheiden der Vertreter Hamburgs und Baden-Württembergs verliert die EVP zwei AdR Mitglieder, deren spezielle Zuständigkeiten auf die verbleibenden Kollegen werden mussten. Ich selbst wurde einstimmig zum Mitglied der Kontaktgruppe Türkei gewählt.
Die Koordination der deutschen EVP Gruppe im AdR wird in Zukunft durch das Büro des hessischen Landtagspräsidenten wahrgenommen.
Heinz Lehmann MdL, 7.4.2011