Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
als langjähriger oberlausitzer Abgeordneter verfolge ich mit wachsender Sorge die Situation der Umgebindehäuser in unserer Region. Während ich mich als Mitglied des regionalen Umgebinde-Fachbeirates über jedes Haus freue, welches mit viel Liebe, Geld und handwerklichem Geschick wieder hergerichtet wurde, überwiegt doch die Sorge um den Fortbestand dieses Schatzes an regionaler Volksbauweise in seiner Gesamtheit. Insbesondere leer stehenden oder von einzelnen älteren Personen bewohnten Häusern droht der schleichende Verfall. Dieser Befund deckt sich mit den Erkenntnissen der Bürgermeister in den betroffenen Gemeinden. Junge Familien sind eher geneigt neue Eigenheime nach den modernsten architektonischen und energetischen Standards zu bauen, als ihre begrenzte Kraft in die vorhandene traditionelle Gebäudesubstanz zu stecken. Der ideale Investor in ein Umgebindehaus sollte eine junge Familie mit gesichertem Einkommen, mit handwerklichem Geschick, regionaler Verwurzelung und Mut zu einem jahrelangen finanziellen Abenteuer sein. Leider ist eine Kombination dieser Qualitäten gegenwärtig noch viel zu selten anzutreffen. Die durch das ILE-Programm, den Denkmalschutz oder die Energieberatung bereitgestellten Fördermittel sind nicht Anreiz genug, die Nachfrage nach Umgebinde-häusern zu Wohnzwecken signifikant zu verbessern. Meiner Wahrnehmung nach hat sich durch die Anwendung der neuen Klimastandards, die Attraktivität einer Investition in den Altbestand eher noch verschlechtert.
Als regionaler Abgeordneter und als sächsisches Mitglied im europäischen Ausschuss der Regionen bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass die Programmierungsphase der bevor-stehenden EU-Förderperiode genutzt werden sollte, um in der regional spezifischen 2020-Strategie dem Erhalt der charakteristischen Volksbauweise eine besondere Förderpriorität zu verleihen. Die Aufnahme dieses Anliegens stimmt mit den europäischen Zielen der Förderung des Lebens im ländlichen Raum, der Förderung klein und mittelständischer Handwerksunternehmen, der Förderung von Tradition und Kultur, der Förderung junger Familien und der grenzüberschreitenden Kohäsion mit Nordböhmen und Niederschlesien in idealer Weise überein. Das Förderziel wäre damit in den Programmen ILE, EFRE und ESF sehr gut verortet. Mit der Berücksichtigung dieses Anliegens könnte den Auswirkungen der Demografie, der Urbanisierung, der wirtschaftlichen Strukturschwäche und den spezifischen Problemen in den Randregionen wirksam begegnet werden.
Ziel der gemeinsamen Bemühungen sollte es sein, ein Förderprogramm zu entwickeln, mit dem vorzugsweise im Wege verlorener Zuschüsse, Investitionen in Umgebindehäuser zu Wohnzwecken insbesondere für junge Familien attraktiver gestaltet werden können. Damit würde auch ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung dieser für die Oberlausitz so charakteristischen Bausubstanz geleistet.
Ich bin bereit dieses Anliegen nach Kräften zu unterstützen.
Mit freundlichem Gruß
Heinz Lehmann MdL