Die Plenarsitzung des AdR im Rahmen der Open Days vom 7. bis 9. Oktober wurde traditionell mit einem Statement des Präsidenten der Europäischen Kommission Jose Manuel Barroso zur aktuellen Situation der Europäischen Union eröffnet.
Zunächst bezog er sich auf die Schiffskatastrophe vor Lampedusa, die mehreren hundert Menschen das Leben gekostet hat. Er machte deutlich, dass die EU ihre Außengrenzen effektiver schützen muss. Insbesondere haben die von illegaler Migration zuerst betroffenen Mitgliedsstaaten Anspruch auf solidarische Hilfe der EU. Er kündigte an, nach Lampedusa zu reisen, um sich selbst ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. Ziel der Kommission ist es, mit organisatorischen und technischen Mitteln menschliche Katastrophen dieses Ausmaßes zu verhindern, sowie für eine gerechte Verteilung der Flüchtlingskontingente und der finanziellen Lasten zwischen den Mitgliedsstaaten einzutreten. Wichtig bleibt es aber, für eine Verbesserung der Situation in den Herkunftsstaaten tätig zu werden.
Zur Situation in der EU merkte er an, dass es darauf ankommt, selber an die Zukunft eines geeinten Europa zu glauben. Inzwischen tragen die zur Überwindung der schweren Wirtschaftskrise eingeleiteten Maßnahmen erste Früchte, die Indikatoren sind deutlich. Das weltweite Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der europäischen Wirtschaft kehrt zurück. Vom Ende der Eurozone spricht kaum einer mehr. Es kommt nun darauf an, neben der Haushaltkonsolidierung auch deutliche Wachstumsimpulse zu setzen. Jedes Mitgliedsland muss dafür seine eigene Verantwortung wahrnehmen. Trotzdem brauchen wir verlässliche Mechanismen für stärkere Solidarität. Nach der Überwindung der Krise wird es mehr Europa geben. Insbesondere die wirtschaftlich schwächeren Länder werden auch in Zukunft mit europäischen Investitionshilfen rechnen können. Es wird weiterhin Hilfen für die Unternehmensfinanzierung geben. Forschung und Technologie sind Schlüssel für Europas Zukunft. Es ist nicht hinnehmbar, dass die Energiekosten sich im globalen Wettbewerb zu einem Standortnachteil auswachsen. Die europäische Politik bleibt darauf gerichtet, Forschung und Wirtschaft stärker zu verzahnen und die grenzüberschreitende Infrastruktur weiter zu verbessern.
Europa muss lokal noch stärker verankert werden. Dafür trägt die europäische Regionalkammer, der Ausschuss der Regionen, eine wichtige Mitverantwortung. Das Prinzip der Subsidiarität ist ein unverzichtbarer Baustein. Partnerschaften und grenzüberschreitende Projekte sollen das Gefühl der Zusammengehörigkeit fördern. Populistischen Stimmungen muss zuerst auf kommunaler Ebene widersprochen werden. Konvergenz muss die existierenden Divergenzen überwiegen. Auch darum räumt der Entwurf der mittelfristigen Finanzplanung den Regionen größere Spielräume bei der Gestaltung der Förderprogramme ein. Die dreiseitigen Verhandlungen zur Verabschiedung der mittelfristigen Finanzplanung gehen ihrem Ende entgegen. Trotzdem noch wichtige Details, wie die leistungsgebundene Reserve, die Flexibilisierungsreserve und Konditionalität zur nationalen Politik noch zu klären sind, ist die Verabschiedung durch das Europäische Parlament noch in diesem Jahr zu erwarten.
In der sich anschließenden Aussprache wies der deutsche Vertreter drauf hin, dass wir trotz aller Anstrengungen mindestens ein halbes Jahr Zeitverzug haben. Um in den Regionen glaubhaft zu bleiben, müssen bis zur Europawahl im nächsten Mai die ersten Mittel der neuen Förderperiode bewilligt sein. Er dankte dem Präsidenten für die Aufnahme der sog. Übergangsregionen in die Förderkulisse und regte an, die neuen Spielregeln regelmäßig zu evaluieren. Zur Verringerung des bürokratischen Aufwandes sollten die Abrechnungsverfahren für das EFRE und das Horizont 2020 Programm harmonisiert werden. Es sollte stärker auf Pauschalabgeltungen und Kontrollen durch die nationalen Instanzen gesetzt werden. Vereinfachung und Kontrolle sollen besser aus balanciert werden.
Im weiteren Verlauf der Plenarsitzung ergriff der Kommissar für Regionalpolitik Johannes Hahn das Wort, der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz übermittelte eine Grußbotschaft.
Zu Beginn der Beratungen der Stellungnahmen berichtete der litauische Vertreter über die jüngsten Behinderungen des grenzüberschreitenden Warenverkehrs durch die russischen Behörden. Insbesondere Agrargüter werden ohne Angabe nachvollziehbarer Gründe am Überschreiten der litauisch–russischen Grenze gehindert. Der AdR bat die Kommission in dieser Angelegenheit gegenüber Russland tätig zu werden.
Im weiteren Verlauf der 3-tägigen Plenarsitzung wurden das 4. Eisenbahnpaket, Stadt-Land- Partnerschaften, der EU-Haushaltentwurf 2014 und die Perspektive der Förderung von Schiefergas diskutiert. An der Stellungnahme zum „Fracking“ entzündete sich eine heftige Debatte zur Anwendung dieser Technologie in Europa. Die meisten der durch die polnischen und britischen Kollegen eingereichten Änderungsanträge wurden jedoch mit oft knapper Mehrheit abgelehnt. Schließlich wurde eine Stellungnahme angenommen, welche die Risiken für die von einer Förderung betroffenen Kommunen betont und zur Vorsicht mahnt. Anschließend standen die Stellungnahmen zum Umgang mit Plastikmüll, zur Anpassung an den Klimawechsel, zur grünen Infrastruktur, zur Raumfahrtindustriepolitik, zu den Leitlinien der transeuropäischen Telekommunikationsnetzwerke, zur nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Automobilindustrie, zur Langzeitfinanzierung der europäischen Wirtschaft, zur nachhaltigen Bewirtschaftungen der ländlichen Gebiete, zum integrierten Küstenmanagement und zur Unterstützung der europäischen Anrainerländer bei der Qualifizierung der Kommunalverwaltung zur Debatte.
In der Beratung der deutschen nationalen Gruppe im AdR wurden die inhaltlichen Schwerpunkte zur Vorbereitung des Jubiläums „20 Jahre AdR“ im nächsten Jahr diskutiert.
Heinz Lehmann MdL, Mitglied im Ausschuss der Regionen