Herr Präsident, meine Damen und Herrn
Eigentlich ist alles gut eingerichtet.
Die Mobilität kommt aus der Tankstelle.
Die warme Stube sichert das fast flächendeckend vorhandene Erdgasnetz,
und der Strom kommt natürlich aus der Steckdose.
Wir wissen zwar, dass es in manchem Winkel der Erde Versorgungsengpässe gibt,
wir wissen dass in den ländlichen Teilen Afrikas und Asiens die Subsistenz Wirtschaft Standard ist,
wir wissen, dass viele Menschen in China frieren müssen, weil die Heizungen fehlen.
Bis in unser Bewusstsein schaffen es allenfalls die regelmäßig steigenden Energie und Benzinrechnungen.
Die werden aber vor allem der nationalen Steuerpolitik zugeschrieben.
Entsprechende hinweise findet man inzwischen sogar an Tanksäulen.
An die 30 Jahre zurückliegende Ölpreiskrise mag sich auch keiner mehr erinnern.
Die global ablaufenden Entwicklungen interessieren höchstens die Fachleute.
Vor einem gewissen Interesse sind unseren nationalen Eigentümlichkeiten:
Wir streiten uns höchstens über die Verstromung der Kernenergie und den Nutzen und die Kosten des Energieeinspeise Gesetzes.
Wir neigen überhaupt dazu, uns mit unseren hausgemachten Problemen zu beschäftigen und übersehen die Vorboten einer veränderten Situation auf den Weltmärkten.
Wer hat zur Kenntnis genommen, dass vor 3 Jahren in Kalifornien die Lichter ausgingen. Stichwort Enron.
Wer weiß, dass sich vor 2 Jahren der Weltmarktpreis für Stahl verdoppelt hat und dass es zu kaum für möglich gehaltenen Engpässen bei Koks kam?
Die Wirtschaft reagiert, die Politik bisher nicht.
Munter geworden sind wir erst, als sich der Anstieg der Öl- Preise und damit der Benzinpreise sich als nachhaltig erwies.
Munter geworden sind wir als Gasprom zur Durchsetzung der Preisforderungen ihren Kunden in der Ukraine und Weißrussland buchstäblich das Gas abgedreht hatte.
Munter geworden ist nun auch die EU.
Der Energiegipfel, der unter der persönlichen Leitung von Kommissionspräsident Baroso vor 2 Wochen stattfand war das erste Achtungszeichen.
Dem folgte nun vor wenigen Tagen unser nationaler Energiegipfel.
Die Europäer haben erkannt, dass in der Energiepolitik ein konsequentes business as usual in die Sackgasse führt.
Als ich zur Schule ging habe ich gelernt, dass die fossilen Rohstoffe etwa noch 60 bis 80 Jahre lang reichen werden.
Nun sind wir einige Jahrzehnte weiter und wir taxieren die Verfügbarkeit der Kohlereserven noch auf über 200 Jahre, die von Öl und Gas auf mindesten 60 Jahre.
Vorausgesetzt natürlich dass die Zahlen stimmen.
Die wirkliche Mächtigkeit noch vorhandener Öl- und Gasreserven haben wie wir wissen den Rang von Staatsgeheimnissen.
Diese Berechnungen gehen von einem moderaten Anstieg der weltweiten Energienachfrage aus.
Diese Annahmen sind jedoch nur noch eingeschränkt belastbar.
Die unerwartet hohen Wachstumsraten der beiden Milliarden Volkswirtschaften in China und Indien werden die Situation nachhaltig verändern.
Die Preisentwicklung bei Kohle und Stahl sind dafür ein sicheres Zeichen.
Es könnte aber noch schwieriger werden.
Stellen sie sich vor, die Chinesen wollten sich auch ein Auto und eine moderne Wohnungsheizung leisten wie sie in Europa Standard sind.Stellen sie sich vor die Inder wollten sich die gleichen Klimaanlagen leisten wie die Amerikaner.
Diese Entwicklungen müssen bei allen energiestrategischen Planungen mit beachtet werden.
Es gilt drohenden Knappheiten präventiv entgegen zu wirken.
Die USA tun das zumindest partiell.
Sie versuchen die Eigenproduktion zu stärken.
Etwa mit der Erschließung neuer Rohstoff Ressourcen in Alaska und der Verlängerung der Laufzeiten ihrer AKW um weitere 20 Jahre.
Und sie haben mit Indien die Lieferung des neuesten kernenergetischen Know Hows vereinbart um auf diese Weise der wirtschaftlich aufstrebenden Nation Alternativen zur Stromgewinnung aus der knappen Ressource Öl zu eröffnen.
Und sie haben aus dem Enron Problem eines gelernt. Es ist nicht akzeptabel, dass die Energieunternehmen ihre Geschäftstätigkeit ausschließlich in Richtung Maximalprofit optimieren.
Für die Unternehmen müssen Investitionen in neue effektivere Kapazitäten attraktiv gemacht werden.
Dazu benötigen sie vom Staat eine hinreichende Planungssicherheit und den nötigen steuerlichen Anreiz.
Knappheiten auf dem Ölmarkt bedeuten höhere Rohölpreise.
Höhere Rohölpreise treiben die Preise auf den Erdgasmarkt.
Höhere Preise bei Öl und Gas geben den konkurrenzlos tätigen Stromerzeugern den Anlass durch das Drehen an der Preisspirale Windfallprofite zu generieren.
Das ist nicht eine Eigenart der großen Konzerne, die kommunalen Stadtwerke haben in dieser Frage ähnliche Interessen.
Sie verstehen es nur recht gut ihre Preisanpassungen hinter dem EEG und der Steuerpolitik zu verstecken.
Was betriebswirtschaftlich gut ist, ist für die Volkswirtschaften der entwickelten Industrieländer auf Dauer nicht akzeptabel.
Was kann die Politik in Deutschland tun?
Auf dem direkten Wege wenig.
Wir haben keinen direkten Einfluss auf die Preisgestaltung der Öl- und Gasproduzenten.
Es gibt aber indirekte Möglichkeiten.
Wir können die einheimischen Kapazitäten weiter qualifizieren.
Wir können die rechtlichen Voraussetzungen für einen echten Wettbewerb zwischen den Stromanbietern schaffen.
Wir können die Bestrebungen der EU zur Harmonisierung der Steuerpolitik unterstützen.
Und wir müssen in einer nationalen Innovationsoffensive dafür sorgen, dass Energieerzeugung, Energiespeicherung und Energieverwendung effektiver werden und die regenerativen Alternativen schneller ihren Kinderschuhen entwachsen.
Das uns für unsere Innovationen zur Verfügung stehende Zeitfenster droht kleiner zu werden.
Auf dem gegenwärtigen technischen Niveau sind die in Sachsen verfügbaren regenerativen Energien noch nicht wirklich wettbewerbsfähig.
Sie sind Strompreistreiber.
Die weltweite Nummer 1 unter der Regenerativen ist die Wasserkraft. Sie ist in Sachsen kaum noch ausbaubar.
Das gilt soweit es die Stromproduktion betrifft auch die Erdwärme, obwohl wir in Sachsen Anbieter von Komponenten für Geowärme zu Heizzwecken besitzen.
Verbreiteter ist die Nutzung der Windenergie.
Hier gibt es aber auch mehr Masse als Klasse.
Es reicht nicht wenn man zum Fenster hinausschaut und feststellt, dass die Landschaft gut verspargelt ist.
Wichtig ist was an Energie raus kommt.
Das ist noch unbefriedigend.
Ich habe diese Woche mit dem Betreiber eines Windparks gesprochen. Den Namen will ich nicht sagen.
Der Park ist nun seit 10 Jahren am Netz.
6 Windräder mit einer Nennleistung von insgesamt 3.600 Kilowatt.
Die Ausbeute des letzten Jahres waren 3,8 Millionen Kilowattstunden.
Bei 8.200 Jahresstunden Verfügbarkeit der Anlagen ergibt das eine Ausbeute gerade so im zweistelligen Bereich.
Glänzende Augen hatten die Betreiber nicht.
Er berichtete mir, dass man es schaffen könne binnen 15 Jahren der Kapitaldienst zu bedienen und hoffe dass dann so viel Geld übrig bleibt um die dann technisch total veralteten Park zu demontieren.
Weht kein Wind, erzeugt das Windrad keinen Strom.
Scheint keine Sonne nicht sind die Photovoltaikzellen spannungslos.
Damit dann beim Kunden die Lichter nicht ausgehen, müssen in Windeseile Gaskraftwerke hochgefahren werden.
Strom aus Gas ist aber teuer.
Auf den Gaspreis haben wir keinen Einfluss.
Bleibt die Stromerzeugung aus Biomasse.
Auch hier gibt es trotz aller Anfangserfolge noch Effizienzreserven und Forschungsbedarf.
Ein weitere Herausforderung ist die Reduzierung des CO2 Ausstoßes bei der Verstromung fossiler Rohstoffe.
Bisher funktioniert das nur auf Kosten des Wirkungsgrades.
Dazu kommen dann noch neben anderen die spannende Frage der Energiespeicherung.
Das Tempo dieser Forschungen ist nur mit einem stärkeren finanziellen Engagement der Energiewirtschaft zu erhöhen.
In dieser Hinsicht hat die Schwarz-Rote Koalition in Berlin gute Chancen das Richtige zu tun.
Voraussetzung ist, dass der vereinbarte Prozess des Atomausstiegs intelligent strukturiert wird.
In den nächsten Jahren würden Vereinbarungsgemäß die ersten voll funktionsfähigen AKW vom Netz gehen müssen.
Ein buchmäßig abgeschriebenes AKW verdient im Jahr etwa 300 Mio. . Durch eine Verlängerung der Betriebsdauer unter der Auflage den erzielten Gewinn in die Energieforschung zu stecken würde 2 Fliegen mit einer Klappe schlagen.
Zum einen würden drohenden Knappheiten vorgebeugt und zum anderen ein echter Schub bei der Weiterentwicklung der regenerativen Energien erzeugt.
Das müsste sogar den Grünen schmecken.
In diesen schwierigen Fragen wird die Welt nicht am sächsischen Wesen genesen.
Wir müssen aber mit unseren Mitteln darauf hin wirken, dass das magische Dreieck aus Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Preisentwicklung im Gleichgewicht bleibt.
So lange es noch keinen vollen Wettbewerb unter der Stromerzeugern und Verteilern gibt muss der Staatsminister immer wieder darauf achten, dass die Ecke Preisentwicklung nicht sachlich unbegründet nach oben abdriftet.
Auf dem globalen Energieträgermarkt sind nachhaltige Veränderungen im Gange an denen sich auch unser Sächsisches Energieprogramm orientieren muss.
Strengen wir uns an, damit auch in Zukunft gilt:
Die Mobilität kommt aus der Tankstelle.
Die warme Stube sichert das fast flächendeckend vorhandene Erdgasnetz,
und der Strom kommt natürlich aus der Steckdose.
Und das zu vertretbaren Kosten.
Donnerstag, 20. April 2006
Statement zur Energiedebatte gehalten vor dem Plenum des Sächsischen Landtages von Heinz Lehmann MdL am 6.4.2006
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